Washington. Kommt Trump am Ende mit allem davon? Der Supreme Court soll entscheiden, ob er Immunität vor strafrechtlicher Verfolgung genießt.

Bevor John Roberts, der Vorsitzende Richter am US-Supreme Court, in Washington am Donnerstag um 10 Uhr Ortszeit das Wort ergriff, wurde Donald Trump fünf Autostunden nördlich daran erinnert, was laut Umfragen 70 Prozent der Amerikaner glauben: „Niemand steht über dem Gesetz!”.

So stand es auf Spruchbändern von Demonstranten, die sich zum dritten Verhandlungstag in Trumps Schweigegeld-Prozess um den Porno-Star Stormy Daniels in Manhattan eingefunden hatten – aber auch ein Signal Richtung Hauptstadt senden wollten.

Dort ließen – historisch einmalig – die höchsten Richter des Landes die Frage erörtern, ob Trump für seine klandestinen Bemühungen, 2020/2021 die friedliche Übergabe der Macht an Joe Biden auf verschiedenen Wegen zu sabotieren, Immunität vor strafrechtlicher Verfolgung genießt.

Der Aufstand seiner Anhänger am Kapitol im Januar 2021 war der blutige Höhepunkt von Trumps Bestrebungen, die Wahlniederlage gegen Joe Biden auf den Kopf zu stellen. Dafür ist er als erster Präsident in de Geschichte der USA strafrechlich angeklagt worden.
Der Aufstand seiner Anhänger am Kapitol im Januar 2021 war der blutige Höhepunkt von Trumps Bestrebungen, die Wahlniederlage gegen Joe Biden auf den Kopf zu stellen. Dafür ist er als erster Präsident in de Geschichte der USA strafrechlich angeklagt worden. © AFP via Getty Images | JOSEPH PREZIOSO

Trump und seine Anwälte fordern das – ohne Einschränkung. Bekämen sie Recht zugesprochen, wären die auf Eis gelegten Strafprozesse wegen Trumps versuchter Manipulation der Wahlergebnisse von 2020 voraussichtlich nichtig.

Währenddessen musste sich der erkennbar verärgerte Ex-Präsident in New York erneut anhören, wie ein früherer Boulevard-Blatt-Besitzer, David Pecker, für ihn gegen Bezahlung vor der Wahl 2016 unliebsame Sex-Affären-Geschichten unter den Teppich kehrte. Trump, der lieber in Washington gewesen wäre, hatte von Richter Juan Merchan Präsenzpflicht verordnet bekommen.

Trumps Anwalt: Ein Präsident hat eventuell sogar die Befugnis, einen politischen Rivalen töten zu lassen

Für den Ex-Präsidenten führte am Obersten Gerichtshof sein (ungemein schnell sprechender) Anwalt John Sauer das Wort. Sein von vielen Rechtsgelehrten für absurd gehaltener Standpunkt: Trump könne nur dann strafrechtlich verfolgt werden, wenn er zuvor vom Kongress des Amtes enthoben wurde. Das sei hier nicht der Fall.

Vor den gewalttätigen Ausschreitungen am Kapitol hielt Trump hinter dem Weißen Haus am 6. Januar 2021 eine hasserfüllte Rede. Er rief seine Anhänger auf, zum Kongress zu ziehen, wo die Beglaubigung des Biden-Wahlsieges anstand, und „höllisch zu kämpfen“.
Vor den gewalttätigen Ausschreitungen am Kapitol hielt Trump hinter dem Weißen Haus am 6. Januar 2021 eine hasserfüllte Rede. Er rief seine Anhänger auf, zum Kongress zu ziehen, wo die Beglaubigung des Biden-Wahlsieges anstand, und „höllisch zu kämpfen“. © Anadolu Agency via Getty Images | Anadolu Agency

Neben dem formalen Aspekt machte der Verteidiger geltend, dass Amerika mit dem Prozess gegen Trump Pandoras Büchse öffne, wenn man den Handlungsspielraum des ersten Mannes im Staate einschränke. Künftige Präsidenten müssten dann ebenfalls damit rechnen, nach ihrem Abgang belangt zu werden. Hypothetisch frage Sauer: „Könnte Präsident George W. Bush ins Gefängnis gesteckt werden, weil er angeblich den Kongress belogen hat, um einen Krieg im Irak auszulösen?“ Sauers Antwort: Nein! Sauer sagte sogar, es könnte theoretisch in die von Immunität geschützte Befugnis eines Präsidenten fallen, das Militär anzuweisen, einen politischen Rivalen zu töten.

Bei der anschließenden Befragung ließen mehrere konservative Richter, die eine 6:3-Mehrheit haben, Sympathie für die Idee erkennen, dass Präsidenten/Ex-Präsidenten eine gewisse Immunität verdienen. Ob sie die Trump unterstellten Taten rund um den Sturm aufs Kapitol 2021 dazuzählen, blieb offen.

18 Jahre Haft für Gründer von rechter US-Miliz wegen Kapitol-Sturms

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    Was die Anklage um Chef-Ermittler Jack Smith beunruhigen muss: Mindestens zwei konservative Richter, Samuel Alito und Brett Kavanaugh, deuteten an, dass ein Eckpfeiler der Vorwürfe gegen Trump – die betrügerische Verschwörung gegen die Vereinigten Staaten – aus ihrer Sicht auf sehr dünnem Eis steht.

    Andere Richter zeigten sich nicht abgeneigt, weitere juristische Untersuchungen anzustrengen, um die Frage zu beantworten, ob die Trump vorgeworfenen Straftaten in seiner Kapazität als Präsident geschehen sind – oder als Privatmann. Sollte dieser Auftrag an untere Instanzen ergehen, wäre der von Jack Smith angestrengte Strafprozess gegen Trump vor der Präsidentschafts-Wahl im November definitiv vom Tisch, in die Trump als Kandidat der Republikaner geht.

    Vor dem Obersten Gerichtshof in Washington waren am Donnerstagmorgen Dutzende Demonstranten aufgezogen, das Gros waren Trump-Gegner, die seine Verurteilung verlangen. Ob es zum dafür nötigen Prozess kommt, ist fraglich.
    Vor dem Obersten Gerichtshof in Washington waren am Donnerstagmorgen Dutzende Demonstranten aufgezogen, das Gros waren Trump-Gegner, die seine Verurteilung verlangen. Ob es zum dafür nötigen Prozess kommt, ist fraglich. © DPA Images | Mariam Zuhaib

    Anwalt des Justiz-Ministeriums: Immunität für Trump bedeutet Blanko-Scheck für künftige Präsidenten

    Die drei liberalen Richterinnen Elena Kagan, Ketanji Brown Jackson und Sonia Sotomayor machten deutlich, dass die Verfassungsväter den Präsidenten bewusst nicht mit absoluter Immunität ausgestattet haben. Andernfalls könne das Oval Office im Weißen Haus zum „Sitz krimineller Aktivitäten in diesem Land“ werden.

    In diese Kerbe schlug der seit 30 Jahren das Justizministerium vor dem Obersten Gericht vertretende Top-Jurist Michael Dreeben. Die von Trump beanspruchte Immunität, von der in der Verfassung nirgends die Rede sei, würdig künftigen Präsidenten einen Blanko-Scheck für jedwede Straftat geben. Dreeben geriet im Anschluss unter schweres Feuer. Angeführt von Samuel Alito, kreisten konservative Richter um den Standpunkt, dass Amerika in eine die Demokratie destabilisierende Spirale der Verfolgung ehemaliger Präsidenten gerate, wenn Trump der Prozess gemacht würde. Nach fast drei Stunden war die Anhörung vorbei. Der Supreme Court hat nun Zeit bis Ende Juni, um sein Urteil zu fällen.